Im neuen Tabakproduktegesetz will der Bundesrat Tabakwerbung zum Beispiel an Verkaufsstellen und Sponsoring an Open-Air-Festivals nach wie vor zulassen. Diese Art von Marketing zielt vor allem auf Kinder und Jugendliche. Das beweist eine Untersuchung aus der Westschweiz. Bei der Präsentation der Ergebnisse in Bern forderten Gesundheits- und Präventionsorganisationen und die Schweizerische Arbeitsgemeinschaft der Jugendverbände (SAJV) ein umfassendes Verbot von Tabakmarketing.
«Die Teenager von heute sind die potentiellen Kunden von morgen» – diese Aussage aus einem internen Papier der Tabakindustrie fasst deren Strategie klar und deutlich zusammen. Wie sie diese Strategie in der Schweiz umsetzt, zeigt die Untersuchung der Tabakpräventionszentren CIPRET Waadt und Fribourg sowie Sucht Schweiz. Die zwischen Mai 2013 und Juni 2014 in der Westschweiz erhobenen und analysierten Daten lassen sich auf die gesamte Schweiz übertragen. Sie dokumentieren zum Beispiel Kioske als zentralen Ort der Tabakpromotion. Mehr als die Hälfte der beobachteten Verkaufsstellen stellten Werbung für Tabakwaren aus. Mehr noch: «In 39% der Verkaufsorte befanden sich die Tabakwerbung oder gar Tabakwaren direkt neben den Süssigkeiten. 35% der Werbung befanden sich auf Höhe von Kinderaugen, sprich 1 Meter 20 oder darunter», fasste Thomas Beutler, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Arbeitsgemeinschaft Tabakprävention Schweiz, zusammen. Dieses Beispiel beweist, dass Tabakwerbung direkt auch Kinder ansprechen soll.
Ein Verbot aller Formen von Werbung, Promotion und Sponsoring löst langfristig eindeutig eine Senkung des Tabakkonsums aus. Das beweist die Studie «Neue Erkenntnisse zu Marketing und Werbung bei Tabakerzeugnissen», die die Eidgenössische Kommission für Tabakprävention 2011 veröffentlicht hat. Teilverbote führen dazu, dass die Tabakkonzerne die finanziellen Mittel in Bereiche verschieben, in denen Werbung und Promotion weiterhin erlaubt sind. Bundesrat und Parlament haben nun die Gelegenheit, mit einem griffigen Tabakproduktegesetz äusserst kostengünstig und wirkungsvoll Tabakprävention zu betreiben. «Das Gesetz hat zum Ziel, den Tabakkonsum zu verringern und Jugendliche besser vor den schädlichen Auswirkungen des Rauchens zu schützen. Mit dem jetzigen Gesetzesentwurf können diese Ziele aber nicht erreicht werden», stellte Ständerat und Präsident der Schweizerischen Gesundheitsligen-Konferenz (GELIKO) Hans Stöckli (SP BE) klar. Die Gesundheits- und Präventionsorganisationen und die Schweizerische Arbeitsgemeinschaft der Jugendverbände (SAJV) fordern deshalb ein lückenloses Werbeverbot: Das Sponsoringverbot muss auf nationale Veranstaltungen ausgeweitet und die Tabakwerbung an Verkaufsstellen muss verboten werden.
«Es ist für Jugendliche schwierig, einen klaren Kopf zu behalten und einen bewussten Konsumentscheid zu fällen, wenn eine heimtückische Verführung stattfindet und ein schädliches Produkt wie Zigaretten positiv besetzt wird», sagte Andreas Tschöpe, SAJV-Geschäftsleiter. Die Tabakindustrie spricht in ihrer Werbung mit Form und Sprache die Jugendlichen direkt an. Coolness, Entspanntheit und ein lockerer Lebensstil sollen mit ihren Produkten assoziiert werden. In Printmedien findet sich Tabakwerbung vornehmlich in Blättern, die bei Jugendlichen beliebt sind: Auf der «People»-Seite von 20 Minuten sind regelmässig Inserate für Zigaretten zu sehen. Besonders attraktiv für Tabakkonzerne ist das Sponsoring von Open-Air-Festivals. Auf den Festivalgeländen sind die jeweiligen Zigarettenmarken mit Ständen, Verkaufsaktionen, Gadgets und Plattformen omnipräsent.
Je früher der Einstieg, desto schwieriger der Ausstieg. Sechs von zehn Rauchenden fangen an, bevor sie 18jährig sind. Die Auswirkungen sind verheerend: «Jugendliche, die rauchen riskieren, dass ihre Lungen nie die volle Kapazität erreichen», führte Sonja Bietenhard, Direktorin der Lungenliga Schweiz, aus. Die Hälfte der Erwachsenen, die regelmässig rauchen, stirbt vorzeitig an tabakbedingten Krankheiten. In der Schweiz sterben jährlich mehr als 9‘000 Menschen an den Folgen des Tabaks.
Mehr Informationen zur Untersuchung: www.beobachtung-marketing-tabak.ch